2017 – ein Superwahljahr in Europa, der bevorstehende Brexit und ein US-Präsident, der Tiraden twittert – die damit zusammenhängenden Turbulenzen haben ebenso mögliche Konsequenzen für den Online-Handel. Das Geschäftsklima ist jedoch deutlich positiver und eröffnet den Shop-Betreibern Erfolg versprechende Möglichkeiten.

La République en Marche! – Durch eine ganze Bewegung wurde Frankreichs etablierte Politik revolutioniert. Nach einem eindeutigen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen und einer klaren Mehrheit innerhalb der Nationalversammlung kam es auf Folgendes an: Konnte Emmanuel Macron das Land reformieren? Auf der anderen Seite des Kanals steht der Brexit auf der Tagesordnung. Die nicht vorhersehbare Aufholjagd des Parteivorsitzenden der Labour Party-Partei Jeremy Corbyn hat den regierenden Tories die Mehrheit im britischen Unterhaus gekostet. Somit werden die Verhandlungen mit der EU keinesfalls leichter.

Aus der Situation am anderen Ende des großen Teichs lässt sich erkennen: Seit Jahrzehnten war die Bezeichnung Vereinigte Staaten von Amerika nicht mehr dermaßen unpassend. Trotz derartiger Unsicherheiten haben die Shop-Betreiber und die Online-Händler die Möglichkeit, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Denn eine ganze Reihe von Indikatoren befeuert das Stimmungsbarometer des Online-Handels. Die Chancen sind jedoch keinesfalls lediglich auf das eigene Land begrenzt: Derjenige, der als Händler den Schritt über die Grenze wagt, auf den warten zahlreiche Umsatzmöglichkeiten.

Goldrausch im Online-Handel

Auch wenn die Eurokrise die Wirtschaft im Süden Europas weiterhin belastet, erlebt der Online-Handel hierzulande einen Aufschwung. Entsprechend dem Bericht des spanischen Wirtschafts- und Sozialrates ist der Umsatz im elektronischen Handel im Jahr 2016 insgesamt um 23,3 Prozent gestiegen. Dies hat ebenso Auswirkungen auf die Stimmung der Online-Händler: Nahezu 90 Prozent der spanischen Online-Shops erwartete im Jahr 2017 ein weiteres Umsatzplus. Eindrucksvoll sind auch die Zahlen aus dem Land des Dolce Vita. In Italien generierte der Online-Handel im Jahr 2016 ein Umsatzvolumen von 19,6 Milliarden Euro – ein Plus von 19 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015.

Deutschland ist der bedeutendste europäische Zukunftsmarkt für die US-amerikanischen Label bei der Ausweitung ihrer Online-Handel-Geschäfte.

Des Weiteren floriert auch der Rest Europas stark: Der Verband Ecommerce Foundation prognostizierte für das Jahr 2017 in seinem jüngsten Europareport eine Steigerung von insgesamt 13,62 Prozent. Dementsprechend würde zum ersten Mal die Grenze von 600 Milliarden Euro Umsatz auf dem alten Kontinent geknackt werden. Insbesondere ist die Tatsache interessant, dass sich Osteuropa – mit den Ländern Bulgarien, Rumänien, Ukraine und Russland – trotz des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland mit einem Plus von 16 Prozent lediglich zwei Prozent hinter dem Wachstumsspitzenreiter Südeuropa mit den Ländern Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, Türkei, Kroatien und Malta befindet.

Die Russische Föderation im Kaufrausch

Gerade das Beispiel Russland macht deutlich, welche Durchsetzungskraft der Online-Handel mitunter entwickelt. Zwischen dem Ukraine-Konflikt, der Syrien-Intervention, den Vorwürfen der Wahl-beeinflussung in den USA und einer – bestenfalls – wirtschaftlichen Stagnation erscheint der Online-Handel den Russen als ein Anker der Stabilität. Nach einem zunächst erheblichen Wachstumseinbruch auf insgesamt lediglich noch plus 6,6 Prozent (plus 31 Prozent ein Jahr zuvor) im Zeitraum zwischen 2014 und 2015, hat sich der elektronische Handel wieder deutlich erholt. Entsprechend meldete die Branchen-vereinigung der russischen Online-Händler für das Jahr 2016 ein Wachstum von erstaunlichen 20 Prozent bei einem Volumen von insgesamt 920 Milliarden Rubel (ca. 13,25 Milliarden Euro). Gegenwärtig beläuft sich die Anzahl der Konsumenten des Online-Handels innerhalb der russischen Föderation, gemäß dem Suchmaschinen- und Online-Portal-Betreiber Yandex, auf etwa 29 Millionen – Tendenz steigend. Im Verlauf hat sich das begehrte Sortiment ebenfalls verändert: Während sich bis Ende des Jahres 2014 die Elektronikartikel noch ganz oben auf der Wunschliste befanden, so kauften die Russen inzwischen verstärkt ebenso die Möbel, die Haushaltswaren und die Kinderprodukte im Internet ein. Das Haupt-argument ist der Preis! Der heimische Markt genügt vielen russischen Online-Shoppern dabei schon lange nicht mehr. Entsprechend der Ecommerce Foundation betreiben nahezu zwei Drittel der Kunden (62 Prozent) Crossborder-Commerce. Wer schafft es jedoch am ehesten, das Interesse der russischen Kunden zu wecken? Es ist nicht etwa Europa, sondern China!

Tatsächlich war die Volksrepublik China im Jahr 2016 für 80 Prozent des grenzüberschreitenden Online-Handels mit der Russischen Föderation verantwortlich – entsprechend der Untersuchung „Ecommerce in Russia“ von East-West Digital News. Somit haben Chinas Online-Händler – vorneweg der Marktplatzriese Alibaba – ganz eindeutig eine Monopolstellung bei Russlands Kunden.

China drängt mit aller Macht nach Europa

Auch die Kunden aus Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland kaufen – neben dem Vereinigten Königreich – vorzugsweise in China ein. Dies ergibt sich aus dem Jahresbericht „E-com­merce in the Nordics 2017“ von PostNord. Danach bezieht mehr als ein Drittel der skandinavischen Kunden regelmäßig Waren aus dem Ausland. Der Crossborder-Anteil am Gesamtumsatz im dortigen Online-Handel belief sich im Jahr 2016 auf ca. 25 Prozent oder 5,4 Milliarden Euro.

Die Bereitschaft der Kunden, über das Internet weltweit einzukaufen, scheint kontinuierlich zu wachsen. Dies gilt nicht nur für Russland oder die Skandinavier. Für die Menschen in der Volksrepublik China hat ein voller Warenkorb ebenfalls seinen Reiz. Inzwischen gibt Chinas Bevölkerung mehr Geld im Online-Handel aus als die Amerikaner und die Briten zusammen: Entsprechend einer Untersuchung der Boston Consulting Group kauften die Chinesen im Jahr 2016 Waren im Wert von 750 Milliarden US-Dollar – bei jährlichen Wachstumsraten von 20 Prozent!

Deutschlands Online-Händler

Entsprechend den Erkenntnissen der Ecommerce Foundation kaufen die Deutschen ebenfalls gern im Ausland ein: Ein Fünftel der Kunden kauft regelmäßig bei den Online-Händlern außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ein. Im Einzelfall hat sich über die Hälfte der deutschen Online-Shopper (56 Prozent) schon einmal über die eigene Landesgrenze getraut, erklärt eine Studie von Pitney Bowes. Des Weiteren wird die Bundesrepublik Deutschland als Markt immer interessanter – gerade für die Anbieter aus den USA. Ein Drittel der führenden US-Unternehmen beabsichtigt, seine Präsenz in Deutschland stärker auszuweiten. Dies geht aus der Umfrage „Internationalizing Your Brand in 2017“ hervor, die im Auftrag von dem Unternehmen Arvato unter 200 Entscheidungsträgern von US-Firmen durchgeführt wurde. Im internationalen Vergleich stehen Deutschlands Online-Händler bereits ziemlich gut da: Während China mit 26 Prozent Bestellungen aus dem Ausland dominiert und die USA mit 16 Prozent auf Platz zwei folgen, teilen sich die deutschen Online-Händler mit denen aus Großbritannien zu je 15 Prozent den dritten Platz. Dies ergibt sich aus der Studie „Cross-Border E-Commerce Shopper Survey 2016“ des Unternehmens International Post Corporation, an der mehr als 24.000 Befragte teilgenommen haben. Gerade als Exportüberschussweltmeister sollte im Falle von Deutschland klar sein, dass die heimischen Online-Händler noch lange nicht ihr volles Potenzial abgerufen haben. Ein Hindernis wird durch die Tatsache dargestellt, dass die Shop-Betreiber in Deutschland nur sehr selten ihre Payment-Optionen um die Präferenzen anderer Länder erweitern. Entsprechend geht aus der Studie des ECC Köln hervor, dass über zwei Drittel der deutschen Online-Händler auch den Kunden aus dem Ausland immer nur den gleichen Payment-Mix zur Verfügung stellen. An dieser Stelle wäre demnach noch etwas zu tun.

Bremsen los und Gas geben

Wer die derzeitige Nachrichtenlage verfolgt, könnte der Versuchung erliegen, für die Zukunft allzu pessimistisch zu sein. Die Prognosen betreffend den grenzüberschreitenden Online-Handel weisen jedoch deutlich nach oben: Entsprechend einer Studie des Unternehmens DHL Express soll der weltweite Bruttowarenwert im Jahr 2020 etwa 900 Milliarden US-Dollar erreichen. Eine McKinsey-Studie geht für das Jahr 2020 noch weiter: Danach soll der weltweite Umsatz im Crossborder-Commerce auf bis zu eine Billion US-Dollar ansteigen. Unter diesen Bedingungen würden die Online-Händler einen Fehler begehen, falls sie sich zurückziehen sollten.